Bullwhip-Effekt: Nachfrageschwankung durch Corona
In volatilen Zeiten wie in der aktuellen Corona-Krise verändert sich die Nachfragesituation signifikant, teils unvorhersehbar…
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ERP-Systeme sind kompliziert und oftmals in die Jahre gekommen. Die Liste an bekannten Negativbeispielen für ERP-Einführungen ist lang. Viel Bedeutung kommt in diesen Projekten der Auswahl des ERP-Systems sowie des passenden Implementierungspartners zu.
Rothbaum hat in den vergangenen Jahren mehrere Klienten bei der Auswahl neuer Business Software Lösungen unterstützt. Dabei handelt es sich explizit nicht nur um ERP-Systeme, sondern auch um Systeme für die Lagerverwaltung (LVS), für die Produktionsplanung (PPS) und und die Fertigungssteuerung (MES). Die dabei erlangten Erfahrungen möchte ich heute mit Ihnen teilen.
Wenn Sie aktuell vor der Auswahl eines ERP-Systems stehen, möchte ich Ihnen im folgenden Artikel einen roten Faden zur Orientierung bereitstellen und dabei immer wieder auf unsere Praxiserfahrungen zurückgreifen. Der Erfahrungsbericht hat keinen Anspruch auf Vollständigkeit, sondern soll die Punkte hervorheben, die ich Ihnen als besonders wichtig an die Hand geben möchte.
Operations Prozessberatung setzt den Fokus auf wertschöpfende Prozesse.
Philipp Carl, Senior Manager
Nun aber zum Inhaltlichen. Die Struktur dieses Artikels folgt grob den allgemeinen Phasen des Projektmanagements von Initiierung und Planung über Durchführung und Kontrolle bis hin zum Projektabschluss.
Übersicht:
Die Auswahl und Einführung eines ERP-Systems ist ein Marathon. Eine gute Vorbereitung ist dabei Pflicht!
Philipp Carl, Senior Manager
Eine sorgfältige Planung des Auswahlvorhabens und der späteren Umsetzung ist einer der Erfolgsfaktoren, die im Zusammenhang mit ERP-Einführungen genannt werden müssen.
Bevor Sie Anforderungen sammeln und Prozesse modellieren, sollten Sie sich unter anderem mit folgenden Aufgabenstellungen beschäftigen.
Welche Erwartungen sind mit dem Wechsel des ERP-Systems verbunden? Für den Wechsel des ERP-Systems gibt es zahlreiche legitime Beweggründe. Als solche werden oftmals genannt:
Wichtig ist es, ein gemeinsames Verständnis dieser Managementanforderungen bzw. Ziele zu schaffen und zu dokumentieren. Das Management muss als Stakeholder die Notwendigkeit des Projekts verstehen und deren Durchführung zur Priorität machen.
Dazu gehört auch die Unterstützung mit den notwendigen Ressourcen. Schließlich möchten Sie beim Marathon auch nicht auf die Verpflegung entlang des Weges verzichten.
Philipp Carl, Senior Manager
Die Auswahl geeigneter Fachkräfte für die Unterstützung des Projekts ist essentiell. Dabei ist die richtige Mischung aus Erfahrungswissen zu vorhandenen Arbeitsweisen, das die sogenannten Business Experten mitbringen, und Willen zur Verbesserung des Status Quo unerlässlich. Spätestens während der Trainings vor dem Go-Live kommen alle Betroffenen mit der Lösung in Kontakt. Die in den Auswahlprozess eingebundenen Mitarbeitende erfüllen daher auch im Hinblick auf den Change Prozess eine wichtige Rolle, sie sind das Sprachrohr in die Organisation, die sog. Evangelisten.
Neben dem internen Team wird häufig auch externe Unterstützung hinzugezogen. Die Auswahl und Einführung von neuer Business Software ist eine wegweisende Entscheidung, die Ihr Unternehmen auf Jahre prägen und begleiten wird. Rothbaum begleitet regelmäßig Klienten bei der Auswahl von Business Software und hat daher Routine in der Durchführung und Moderation des Auswahlprozesses. Gleichzeitig bringen wir Prozesskompetenz und Wissen aus diversen Branchen mit, wodurch der Fokus im Auswahlprozess stets auf den wertschöpfenden Prozessen Ihres Unternehmens liegt.
Ein Wechsel des ERP-Systems beeinflusst unmittelbar die Art und Weise der zukünftigen Zusammenarbeit Ihrer Mitarbeitenden. Um diesem Change-Aspekt Genüge zu tun, ist eine proaktive Kommunikation bereits zu Beginn zielführend. Im späteren Verlauf sind bspw. auch Sprechstunden bei Projektmitgliedern oder eine hausinterne Informationsveranstaltung/-messe denkbar. Ziel ist es, den Wandel so zu gestalten, dass Ihre Fachkräfte die Veränderungen mittragen und von Betroffenen zu Beteiligten werden. Dazu ist wichtig, dass sie nicht (nur) in der Kaffeeküche erfahren, wie die Veränderungen aussehen sollen.
Die Einführung eines neuen ERP-Systems dauert laut einer Studie des Fraunhofer IAIS im Durchschnitt ein bis zwei Jahre, wobei ein Viertel der befragten Unternehmen länger als zwei Jahre benötigen. Rechnet man noch die Dauer für die Auswahl eines Systems dazu, wird klar, dass Sie das Projekt über einen längeren Zeitraum beschäftigen wird.
Die Auswahl ist dabei als Etappenziel zu sehen, Ihre Organisation muss genug Kraft für den Marathon mitbringen. Es ist wichtig, dass alle Beteiligten eine ähnliche Vorstellung des Zeithorizonts haben, damit sich keine Enttäuschungen einstellen.
Oftmals wird die Notwendigkeit für ein neues ERP-System nicht erst heute identifiziert. Bestimmte Fachkräfte werden mit der Erstellung eines Lastenheftes betraut, das Dokument wächst über die Jahre – ja, Jahre – und gleichzeitig wird es nie fertig, weil das Tagesgeschäft nicht pausiert, keine Kontakte zu Systemhäusern bestehen oder die Fachkompetenzen fehlen.
Können Sie ein Lastenheft für ein komplettes ERP System runterschreiben? Ich auch nicht. Aber bei Standardsoftware ist das auch nicht unbedingt notwendig. Hier erkläre ich Ihnen, warum.
Philipp Carl, Senior Manager
Aus meiner Erfahrung ist ein Lastenheft im klassischen Sinne nicht immer notwendig. Als wichtiger Erfolgsfaktor von ERP-Einführungen wird durch die Bank geringes Customizing, oder positiv formuliert, ein hoher Standardanteil, genannt. Wie soll ein Systemanbieter ein Lastenheft beantworten, das auf Basis des Altsystems Rahmenbedingungen setzt, die den Standard ohne dessen Betrachtung pauschal unmöglich machen? Ein klassisches Lastenheft beißt sich mit dem Wunsch einer Standardlösung.
Trotzdem müssen Anforderungen festgehalten und kommuniziert werden. Ohne eine Vergleichbarkeit der Anbieter kann keine Entscheidung getroffen werden. Mehr zur Anforderungsermittlung im nächsten Abschnitt.
Um eine Anbieterauswahl zu initiieren, erstellen wir in Beratungsprojekten regelmäßig Ausschreibungsunterlagen. Die Unterlage hat unterschiedlichen Nutzen: Sie dient als Dokumentation der Anforderungen an das neue System, gleichzeitig steckt sie den Rahmen für einen Anbietervergleich ab. Im folgenden Abschnitt werden einige Methoden der Business Analyse herausgegriffen, die wir zur Erstellung einzelner Inhalte der Ausschreibungsunterlage verwenden. Falls Sie sich im Anschluss im Detail für Methoden der Business Analyse interessieren, empfehle ich den Leitfaden zur Business Analyse BABOK v3 oder ein Seminar bei der ibo.
Ist ein bestimmter Geschäftsprozess oder Akteur Teil des neuen Systems oder soll er nicht berücksichtigt werden? Das Scoping gibt den Rahmen der Systemablöse vor. Eine Scope Abbildung ermöglicht technische oder organisatorische Schnittstellen zu schaffen. Weitere Erkenntnisse aus dem Scoping sind „No Go Areas“, also Systembereiche, die durch das neue System nicht beeinträchtigt werden sollen.
Die Scope Modellierung kann im Hinblick auf das Zusammenspiel unterschiedlicher Systeme noch verfeinert werden. Eine Systemlandschaft bildet ab, welche Systeme im Austausch stehen und welche Informationen fließen. Eine dynamische Betrachtung vom Ist-Zustand zum Soll-Zustand macht zudem transparent, welche Datenquellen ersetzt werden. Wichtig ist, dass am Ende ein gemeinsames Verständnis darüber herrscht, welche Bereiche abgelöst werden und zu welchen Systemen das neue System technische oder organisatorische Schnittstellen bietet.
Prozesse sind das Herzstück einer jeden ERP-Systemauswahl. Einer weiterer Blogartikel beschäftigt sich ausführlich mit Best Practices der Prozessmodellierung: Prozessmanagement: Unsere Erfahrungen mit Tools, Standards und Schulungen.
Generell ist zu prüfen, welche Prozesse in einen Standardprozess überführt werden können. Ziel sollte sein, dass in den indirekten Prozessen, wie z.B. der Buchhaltung, mit Standard-Modulen gearbeitet wird.
Der Komplexität der wertschöpfenden Prozesse, bspw. in der Fertigung, sollte jedoch durch eine detaillierte Beschreibung Rechnung getragen werden. Nur durch den so entstehenden Dreiklang aus Produkt-, Prozess- und Systemfähigkeiten wird die Wertschöpfung optimiert und bleibt wettbewerbsfähig.
In letzter Zeit etabliert sich Process Mining als datengestütztes Methode für die Modellierung von Prozessen beziehungsweise die Unterstützung einer ERP Transformation.
Use-Cases und User-Stories sind zwei Methoden der agilen Business Analyse. Wir nutzen eine angepasste Version der Use-Cases, um für den Klienten besonders relevante Problemstellungen und Geschäftsvorfälle zu beschreiben. Meist konkretisieren sich die zu betrachtenden Szenarien im Laufe der Anforderungserhebung. Durch die Beantwortung der Use-Cases im Rahmen der Anbietervorstellung erhält das Projektteam einen guten Eindruck davon, wie kritische Anforderungen im neuen System abgebildet werden könnten.
Neben den vorgestellten Methoden besteht die Unterlage aus weiteren Bestandteilen. Ein realistischer Zeitplan, der nicht erfüllt wird, ist schnell ein KO Kriterium bei der Auswahl des Integrators. Auch das weitere Vorgehen sollte beschrieben sein, bspw. in welcher Form soll die Ausschreibungsunterlage beantwortet werden?
Diesen Abschnitt beenden wir mit einer erstellten Ausschreibungsunterlage, die an die Anbieter versendet werden kann. Aber welche Anbieter kommen eigentlich in Frage?
Bevor der Artikel ausführlich auf den Bewertungs- und Entscheidungsprozess eingeht, noch einige Worte zur Identifikation möglicher Anbieter des neuen ERP-Systems.
Bei der Unterstützung im Auswahlprozess agiert Rothbaum stets anbieterunabhängig. Anbieternennungen sind daher nur Beispiele.
Philipp Carl, Senior Manager
Die Identifikation geeigneter Anbieter ist immer eine branchenspezifische Aufgabe. In der Glasbearbeitung gibt es beispielsweise spezialisierte Branchenlösungen von A+W, Fenetech, Hegla-Hanic und Lisec. Branchenlösungen überzeugen in der Regel mit durchdachten Systemen und eher schnelleren und kostengünstigeren Einführungen. Sie werden zudem häufig direkt durch den Anbieter implementiert. Alternativ sind natürlich auch branchenübergreifende Lösungen wie proALPHA oder SAP denkbar. Die Implementierung erfolgt in der Regel durch einen Implementierungspartner.
Welche Anbieter für Sie in Frage kommen, erfahren Sie bspw. über Kontakte innerhalb der Branche, Branchenmessen oder von externen Partnern. Nachdem eine erste Longlist mit Kandidaten erstellt wurde, führen wir in der Regel Gespräche mit den einzelnen Anbietern, um anhand von KO-Kriterien herauszufinden, ob der Anbieter zum Klienten passt (Zeitplan, Unternehmensgröße, …). Daraus sollte eine Shortlist mit 3-5 Anbietern für den weiteren Auswahlprozess entstehen.
Bereits während der Erstellung der Ausschreibungsunterlage ist es sinnvoll, den Kontakt zu den Anbietern zu suchen. Es muss immer wieder spezifisch überprüft werden, welche Informationen für die Anbieter im Rahmen einer ERP-Einführung relevant sind. Wir sehen uns in dieser Phase als neutraler Moderator, der sicherstellt, dass alle Beteiligten die für sie notwendigen Informationen erhalten.
Nachdem die Ausschreibungsunterlage beantwortet wurde, geht es an die erste Bewertung. Die Erfüllung einzelner Anforderungen ermöglicht eine erste Vergleichbarkeit der Anbieter. Dabei hat es sich bewährt, einzelne Anforderungen zu priorisieren (bspw. mittels MoSCoW), oder durch das Projektteam KO-Kriterien zu definieren.
Neben der Beantwortung der Ausschreibungsunterlage kommt aber auch der Vorstellung der Anbieter eine wichtige Bedeutung zu. Durch eine Live-Demo im potentiellen neuen System hat das Projektteam die Möglichkeit, die Verbesserungen durch das neue ERP-System anhand der als relevante Praxisbeispiele vorbereiteten Use-Cases näher kennenzulernen.
Die Bewertung erfolgt dann in Summe anhand unterschiedlichster Kriterien: Neben funktionalen Kriterien muss auch die Wirtschaftlichkeit gegeben sein. Gleichzeitig müssen Anbieter bzw. Implementierer und Klient auf einer Wellenlänge kommunizieren. Mit der Auswahl eines ERP-Systems wird schließlich eine langfristige Partnerschaft eingegangen.
Bevor Sie mit der Anbieterauswahl und Systemeinführung starten, möchte ich Ihnen noch einige Erfahrungen mit auf den Weg geben. Diese Punkte sollten Sie im Hinterkopf behalten, da es sich dabei ebenfalls um Erfolgsfaktoren bzw. Projektrisiken handelt.
Ihr Management muss die ERP-Einführung mittragen und zur Priorität machen. Die Einführung wird anstrengend, das steht außer Frage. Die für das Projekt notwendigen Ressourcen müssen bereitgestellt und Widerstände durch ein aktives Projektmarketing bzw. Change Management adressiert werden.
In einem weiteren Blogartikel hat sich mein Kollege Dr. Clemens Wolf bereits umfangreich mit dem Thema Prozessmanagement im Hinblick auf eine ERP-Einführung und den Schulungsaspekt beschäftigt.
Einige Themen verursachen in ERP-Einführungsprojekten regelmäßig Reibung. Es handelt sich dabei um organisatorische Themen, die unter der Oberfläche schlummern und bspw. im Rahmen von Prozessworkshops ans Tageslicht kommen. Beispiel gefällig? Retourenprozesse. Zeitwirtschaft.
Undefinierte Prozesse und Organisationsfragen blähen das ERP-Projekt gefährlich auf. Hier müssen Projektleiter klare Grenzen ziehen. Es ist nicht Aufgabe des Projekts, eine durchgängige Methodik zur Ermittlung der Vorgabezeiten zu entwickeln etc. Diese Projektrisiken müssen rechtzeitig identifiziert und von der Projektleitung oder dem Management behandelt werden.
Mir hat es viel Spaß gemacht, meine Erfahrungen mit Ihnen zu teilen. Ich hoffe, dass Sie durch diesen Artikel einen umfangreicheren Einblick in die Herausforderung Anbieterauswahl für ein ERP-System oder vergleichbare Business Software erhalten haben.
Sie stehen am Anfang des Auswahlprozesses oder haben an einem bestimmten Punkt Schwierigkeiten? Kontaktieren Sie mich gerne mit Ihren Fragen oder Anmerkungen zum Thema.
Senior Manager, München
Der Diplom-Wirtschaftsingenieur berät seine Klienten in Fragen der Lager- und Logistikplanung sowie Digitalisierung der Logistik (insbesondere im ERP-, WMS- und TMS-Umfeld). Darüber hinaus unterstützt er Kunden auch übergreifend in den Bereichen Operations Management und Strategy.
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